Blog Georgien, Wandern im Kaukasus / 20.08. – 29.08.2018
Ja, wir sind etwas organisationsfaul geworden sind. Deshalb haben wir für die nächsten fünf Tage eine geführte Abenteuer- und Wandertour gebucht.
Tornike (genannt Toke) holt uns am Morgen mit seinem Volvo Geländewagen ab. Toke wird für die nächsten Tage unser Begleiter sein. Er spricht gut Englisch, hat zwei kleine Kinder, raucht wie ein Schlot und hat eine «böse» Frau zu Hause, die ihn bereits am ersten Tag 20x telefonisch belästigt. Sie ist nicht gerade begeistert, dass er mehrtätige Reisen unternimmt.
Toke fährt für georgische Verhältnisse sehr vorsichtig und vorausschauend, dafür sind wir ihm dankbar.
Auf dem Weg in die Berge besuchen wir die Touristenhotspots, welche unserer Meinung nach total überlaufen sind. Das Kloster Jvari trohnt seit dem sechsten Jahrhundert auf einem Felsen mit beeindruckender Sicht auf zwei Flusstäler.
Mtskheta war die alte Hauptstadt des frühen Georgischen Königreiches. Nachdem wir uns durch die zahlreichen Souvenir-Geschäfte durchgekämpft haben, besuchen wir die Svetitskhoveli Kathedrale, um die sich zahlreiche Legenden ranken. Die Kirche ist bekannt für ihren Architekturstil und die Fresken an der Aussenfassade.
Auch wehrhafte Burgen gibt es in Georgien nicht zu knapp. Im Anunuri Schloss Komplex befinden sich zwei Kirchen, einige Türme umgeben von einem Verteidigungswall. Vom Hügel aus blickt man auf den Stausee von Jinvali.
Der bekannteste Wintersportort von Georgien ist Gudauri. Naja, man kann dieses Skiresort sicher nicht mit den Alpenregionen vergleichen. Es wäre aber sicher interessant, hier mal im Winter vorbei zu schauen.
Weiter oben steht das Friedensmonument, schon von weitem sieht man seine riesigen Mosaike. Das Monument wurde anlässlich der Feier «200 Jahre Frieden zwischen Russland und Georgien» erstellt. Naja, das Monument hat sich wohl jetzt erübrigt, die Aussicht auf die Schlucht ist trotzdem sehenswert.
Das kleine Dorf Kazbegi resp. Stepanzminda (georgisch) liegt zu Füssen des 5047m hohen Berges Kasbek. Hier werden wir zwei Nächte in einem der zahlreichen Gästehäuser übernachten.
Unsere erste Wanderung führt uns über 400 Höhenmeter steil bergauf, bis wir auf dem Gipfel die Gergeti Trinity Kirche erreichen. Wir kommen dabei ordentlich ins Schnaufen, die Aussicht auf das Tal und die schneebedeckten Berggipfel ist ebenfalls atemberaubend!
Wandern macht hungrig, Toke führt uns in ein Restaurant, er wählt für uns verschiedene Speisen aus. Haben wir schon erwähnt, dass er auch gerne isst? Der ganze Tisch wird mit verschiedenen georgischen Spezialitäten gefüllt, das können wir unmöglich alles vertilgen. Wenigstens werden die Reste an die Tiere verfüttert.
Es gibt unter anderem mit Käse und Spinat gefüllte Chatschapuri, Fleisch-Kinkali (sieht aus wie riesige Ravioli) begleitet von einer Sauerpflaumensauce.
Das kleine Zimmer im sehr einfachen Gästehaus teilen wir mit einer Armada an Fliegen. Wir haben Glück, die letzten drei Tage gab es hier kein fliessendes Wasser, jetzt werden wir mit einer warmen Dusche verwöhnt.
Von der Familie werden wir zu einem Glas Wein eingeladen, dazu werden frisch gepflückte Haselnüsse offeriert. Der Ehemann produziert und verkauft den Wein selber. Der Sirah ist trinkbar, der Weisswein schmeckt nach «Blöterliwasser» und der Süsswein hat’s in sich.
Was für eine unruhige Nacht, die Grossfamilie hämmert bis nach 24’00 Uhr an irgendeiner Baustelle herum! Danach stören das laute Geschnarche und Gehuste aus dem Zimmer nebenan die Nachtruhe.
Das Offroad-Abenteuer beginnt, auf der ungeteerten Piste fahren wir in einen Talkessel hinein, wo Toke einen Pfad über die Berge sucht. Gleich zweimal fahren wir steil den Hang empor, bis wir nicht mehr weiterkommen, grosse Felsbrocken versperren die Durchfahrt.
Aus diesem Grund gelangen wir über eine alternative Route einem holperigen Feldweg entlang durch die Trusoschlucht.
Über Stock und Stein fahren wir in die Nähe einer Gletscherzunge, den letzten Teil klettern wir dem Bachufer entlang.
Das eiskalte Mineralwasser, welches aus dem vom Eisen rostigen und vom Sulfat weissen Felsgestein sprudelt, sei gesund und bedenkenlos trinkbar.
Vorbei an verlassenen Bauruinen einstiger Dörfer und an grasenden Schafherden gelangen wir weiter ins offene Tal hinein, bis zu einem kleinen Grenzposten. Von hier aus geht’s nur mit einer Spezialbewilligung weiter, denn gleich hinter den Bergen beginnt Russland.
Wir klettern hoch zur Burgruine von Zakagori, von hier oben geniesst man eine einmalige Aussicht über das Tal und den Fluss, wahrlich eine mystische Stimmung.
Auf dem Rückweg sind jetzt doch einige Touristengruppen auf dem Wanderweg unterwegs, am Morgen hatten wir das ganze Tal für uns alleine.
Vom Juta Valley aus wandern wir 2 ½ Stunden hinauf zum Chaukhi Lake. Die mächtigen Felsen des Kaukasus-Gebirges und des Chaukhi Passes sind zum Greifen nahe, eine imposante Bergwelt!
Angekommen auf 2’500m Höhe geniesst Stefan am Ufer des glasklaren Sees seinen ersten Chacha-Schnaps, Prost!
Das Abendessen fällt natürlich wieder sehr üppig aus: das «Atscharuli Chatschapuri» Brot gefüllt mit Sulguni-Käse und einem Ei schmeckt Fondue-ähnlich, die Hühner-Innereien sind jedoch nicht so unser Ding.
Wir verlassen die Gegend um Kazbegi und fahren über den Pass zurück zum Stausee, von dort aus geht’s weiter über eine Schotterpiste durch die Wälder. Die letzten 8km ackert sich der Volvo steil den Hügel hinauf, bis wir ordentlich durchgeschüttelt die Alp Roshka erreichen.
Die Unterkunft mit Etagendusche auf einem Bauernhof ist wieder sehr einfach, die ungewohnt aussehenden Bettanzüge müssen wir selbst anziehen.
Los geht’s, um etwas Höhe zu gewinnen fahren wir mit dem Auto eine Geröllhalde hoch. Von hier aus suchen wir auf einer Hochebene den Wanderweg zu den farbigen Abudelauri Seen.
Bevor wir auf den richtigen Pfad gelangen, müssen wir einen eiskalten Fluss durchqueren. Zum Glück ist das Wasser nicht sehr tief, trotzdem gelingt es Moni, unterwegs einen Socken zu verlieren.
Die alpine Ausrüstung von Toke besteht aus kurzen Hosen und Turnschuhen. Der Beweis, dass er wohl keine grosse Erfahrung in Bergwanderungen hat.
Bei leicht bewölktem Wetter wandern wir hoch zum grün schimmernden See, von dort aus ist es nicht mehr weit zum blauen See.
Im Hochgebirge wechselt das Wetter extrem schnell, trotz Aussicht auf Gewitter klettern wir weiter hoch in Richtung des weissen Sees. Unser Führer Toke meint noch, wir schaffen das, schon beginnt es zu Regnen. Damit nicht genug, unsere Körper werden minutenlang von kleinen, fiesen Hagelkörnern gepiesackt.
Die Kälte setzt ein, klitschnass bis auf die Unterhose verzichten wir auf den weissen See und beginnen mit dem rutschigen Abstieg ins Tal. Kurze Zeit später bessert sich das Wetter und der Wind trocknet unsere nassen Sachen auf dem Rückweg ins Dorf.
In der Schweiz gilt die Regel: ein richtiger Mann hat immer sein Sackmesser dabei. Uns wurde erzählt, dass in Georgien jeder Mann eine Flasche Chacha-Schnaps in seinem Auto mitführe. Das wollen wir natürlich genauer wissen. Immerhin, Toke hat seinen gefüllten Flachmann dabei. Dieser wird dann beim Abendessen feierlich geleert.
Dabei dürfen natürlich die traditionellen Trinksprüche nicht fehlen: so trinken wir auf die Freiheit und die Götter, auf die Familie, auf die Ahnen und zuletzt auf das Leben!
40km weit führt uns der Weg über den Wolkenpass ins Gebiet von Khevsureti. Die Strasse gestaltet sich sehr abenteuerlich und der ungeschützte Abhang ist nah.
Toke meistert sämtliche Schlaglöcher und meint zum Schluss cool, dass wir eine der fünf gefährlichsten Strassen der Welt bewältigt haben. Bei Regen sei dieser Weg unpassierbar, Steinschlag ist an der Tagesordnung. Dies sei jedoch nur die zweitgefährlichste Strecke in Georgien, na vielen Dank auch!
Im kleinen Dorf von Shatili übernachten wir in einem urchigen Chalet. Shatili ist bekannt für seinen einzigartigen, mittelalterlichen Komplex, der Wehrtürme mit befestigten Wohnhäusern vereint. Alle Gebäude wurden nur mit Steinen und Mörtel aufgebaut.
Wir besuchen das alte Fort und klettern die Wachtürme hoch. Von oben überblickt man die enge Talschneise. Toke schwärmt von den wehrhaften Bergstämmen des Kaukasus, welche die gefürchtetsten Kämpfer der ganzen Welt gewesen seien.
Unweit des Forts befindet sich die Grabstätte von Anatori. An diesem gruseligen Ort ist eine schlimme Seuche ausgebrochen. Statt davonzurennen und andere Dorfgemeinschaften anzustecken, haben sich die Kranken hier ihr eigenes Grab geschaufelt und sich lebendig eingeschlossen.
Zahllose Gebeine befinden sich noch heute in den geöffneten Grabstätten. Toke zündet eine Kerze an und vertreibt mit Weihrauch die bösen Geister.
An den steilen Talwänden haben sich kegelförmige Gesteinsformationen gebildet, Kappadokien lässt grüssen.
Toke hält den Wagen und zeigt auf eine Pflanze, ob wir wissen, was das sei? Natürlich, man riecht schon von weitem, dass es eine Hanfpflanze ist und hier steht eine ganze Plantage am Strassenrand. Kiffen sei seit kurzem legal, nur der Verkauf sei immer noch verboten. Toke bedient sich, er will sich heute Abend einen Joint drehen.
Ein weiteres Highlight wartet auf uns, das Fort von Mutso thront hoch oben auf einem Felsen. Nach einem steilen, ungesicherten Aufstieg gelangen wir zu der mächtigsten Festung der Georgier gegen ausländische Invasoren.
Die zurzeit unbewohnte Ruinen-Anlage wird seit 2014 sorgfältig renoviert und begeistert mit seinen Türmen, der Architektur und der wunderschönen Landschaft. Toke meint, dass die Einheimischen später hier wieder einziehen werden, um die Burg zu neu besiedeln.
Wieder am Talboden angekommen, kauft er in einer kleinen Kneipe eine Coca Cola Flasche. Moni merkt sofort, dass da was nicht stimmen kann. Richtig, die Farbe des Gesöffs stimmt nicht. Es handelt sich dabei um einheimischen Wein, welchen wir «vornehm» aus der Kaffeetasse trinken. Interessanterweise schmeckt der kalte Wein gar nicht mal so schlecht!
Zurück in der Unterkunft erfahren wir, dass wir gleich neben einem Schweizer übernachten.
Max ist 66 Jahre alt, hat sein ganzes Hab und Gut in der Schweiz verkauft und zieht seither mit dem Velo durch Europa. Insgesamt 50’000km hat er bereits abgespult, seit 5 ½ Monaten ist er bis nach Georgien geradelt! Es ist sehr spannend, Max zuzuhören, was er schon alles erlebt hat und so vergeht die Zeit im Fluge!
Toke hat zum Abendessen einheimisches Bier organisiert, das trübe Gebräu aus einer Petflasche wird unter den Männern brüderlich geteilt.
Der Plan von Max war, nach dem gemeinsamen Frühstück loszuradeln, um heute noch bis auf die Passhöhe zu gelangen, wo er im Zelt übernachten will. Eine Strapaze, denn nur schon sein Bike alleine bringt satte 17kg auf die Waage.
Die Eigentümerin der Lodge ist begeistert von diesem Abenteurer und will ihn nicht so einfach ziehen lassen. Zufälligerweise ist ein Team des öffentlichen Fernsehens vor Ort am Arbeiten. Diese Chance wird gleich gepackt und kurze Zeit später gibt Max vor laufender Kamera der Journalistin ein spontanes Interview. Danach folgt ein Kurzfilm, wie er unter der Burg durchradelt. Der ungewollte Rummel ist ihm sichtlich peinlich.
Wir wünschen ihm eine unfallfreie Fahrt, satteln unseren Volvo und machen uns auf den langen Rückweg über den Pass. Bei perfektem Wetter kurven wir fünf Stunden lang über staubige Pisten zurück in die Hauptstadt.
Nach drei weiteren Nächten in Tiflis heisst es Abschied nehmen, die dritte Etappe unserer Weltreise geht zu Ende. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge reisen wir über Riga zurück in die Schweiz.
Ein herzliches Dankeschön an all die lieben Menschen, die wir auf unseren vielen Reisen kennen gelernt haben! Wir sind dankbar für die wunderschönen und unvergesslichen Momente, die wir während dieser Zeit erleben durften.
Geht die Reise weiter? Wir wissen es noch nicht…
3 Comments
Vielen Dank für die vielen coolen Bilder. Georgien ist echt eine Reise wert. 🙂
Liebe Monika, Lieber Stefan,
Euer Artikel hat mir sehr gut gefallen. Wir (ein Paar aus Wien) planen momentan unsere Georgien Reise für den Sommer. Nachdem wir viele Punkte die ihr besichtigt habt auch gerne sehen wollen und uns wegen dem Transportmittel noch nicht sicher sind wollte ich gerne anfragen ob ihr uns eine grobe Übersicht über die Kosten geben könnt die ihr für das Fahrzeug inkl. Fahrer gezahlt habt. Wir werden so weit dies möglich ist mit Bussen/Taxis fahren, für Orte wie Roshka & Shatili sind wir uns aber nicht sicher ob man hierfür nicht einen geübten Offroad Fahrer mit Geländewagen benötigt. Vielleicht könnt ihr uns ein paar Tipps geben.
Vielen Dank schon mal vorab! Herzliche Grüße aus Wien,
Valerie & Marinko
Hallo Valerie & Marinko, danke für euer Mail, wir freuen uns immer auf solche Rückmeldungen! Man kann sicher vieles in Georgien mit Taxis oder Marschrutkas (Kleinbusse) bereisen. Teilweise ist man aber ohne einheimische Sprachkenntnisse schon ein wenig aufgeschmissen wegen der Kommunikation. Fahrten wie nach Shatili mit solchen meist überfüllten Kleinbussen sind sicher sehr abenteuerlich, würden wir beide eher nicht wagen. Wir haben über TrekGeorgia gebucht, die haben eine eigene Homepage, da sind auch die Kosten drin. Die Kosten für diese geführten Reisen in Georgien sind aber unseres Erachtens an der obersten Grenze! Unser Fahrer ist selbständig und heisst Tornike, seine Mobile Nr. (Whatsapp) +995 551 91 10 10… wir können ihn als vorsichtigen und sicheren Fahrer (die meisten Fahrer leiden unter dem „Schumi“Rennfahrer-Syndrom) sehr empfehlen, er spricht auch gut englisch. Ansonsten… Georgien ist fantastisch, Land, Leute, das Essen…. hmmm!!! Freut euch auf die Reise! Grüsse aus der Schweiz, Stefan & Monika