Blog La Paz – Copacabana, Bolivien
Wer meint, er müsse alle Weltstädte besuchen, darf schon alleine wegen der Lage keinen Bogen um La Paz machen! Als wir mit dem Taxi ins Zentrum fahren, staunen wir, als es plötzlich extrem steil bergab geht. Von «el Alto» (4’100m) kurven wir fast 1’000 Höhenmeter hinunter in den Talkessel «Downtown La Paz», was zu einem der spektakulärsten Ausblicke Boliviens führt!
Zwischen der Höhenlage der Wohnviertel und dem sozialen Status der Bewohner existiert eine eindeutige Beziehung: je höher die Lage, desto ärmer sind dessen Bewohner. Mit der Agglomeration zusammen wohnen zwei Millionen Menschen in der Stadt mit dem höchst gelegenen Regierungssitz der Erde.
Im Hotel, dem früheren Botschaftsgebäude von Panama, beziehen wir unser «Kolonialzeit-Zimmer» mit sehr hohen Wänden und antiken Möbeln, mitten im Badezimmer steht eine uralte Badewanne. Alles wirkt ein bisschen veraltet, hat aber schon seinen Charme!
Zu Fuss erkundigen wir die Stadtmitte, es herrscht ein riesiges Verkehrsaufkommen und ist dementsprechend sehr stinkig. Wir schlendern durchs Zentrum, schlürfen frisch zubereitete Limonade (Stefan mit, Moni ohne Zucker) und bewundern den touristisch wirkenden Hexenmarkt, wo unter anderem Alpaka-Föten zum Verkauf angeboten werden.
Sehr zur Freude von Stefan gibt es auch in dieser Stadt viele Murals (Wandmalereien und Graffitis) zu bewundern. Was uns auffällt, die Einheimischen werden vielfach in uralten Dodge-Bussen aus den 60er Jahren die steilen Strassen hoch und hinunter gefahren. Ob die Bremsen wohl noch in einem guten Zustand sind? Wir bezweifeln das…
Heute ist eine Stadtwanderung auf dem Plan. Treffpunkt ist auf dem Plaza San Pedro, wo wir uns der RedCap Walking Tour anschliessen. Jorge und Denise sind unsere englischsprechenden Guides für die nächsten drei Stunden.
Am Plaza San Pedro steht das weltberühmte Gefängnis, welches früher ein Militärfort war. Hier wohnen die Insassen zusammen mit ihren Familien, es gibt im Innern keine Wächter, die Insassen regeln alles selber! Es gibt auch Restaurants, Coiffeursalons, Läden, etc. Bis vor kurzem gab es sogar noch Touristenführungen, das wurde aber verboten, nachdem es einige Übergriffe gegeben hat!
Danach besuchen wir den riesigen Rodriguez Markt, wo wir uns an den engen Blumen-, Gemüse-, Fleisch- und Früchteständen durchzwängen. Später besichtigen wir nochmals den Hexenmarkt. Die Guides versichern uns, dass die nicht wegen den Touristen da sind. Die Einheimischen sind sehr abergläubisch und es gibt hier Tränke gegen sämtliche Krankheiten, Impotenz, untreue Partner oder sogar ein Partnervermittlungspulver zu kaufen.
Die Lamaföten werden für Pachamama (Mutter Erde) geopfert. Wenn jemand ein Haus bauen will, werden gewisse Riten abgehalten und unter anderem ein Lamafötus verbrannt. Der Aberglaube sei sogar so stark, dass wenn man richtig grosse Bauten (Hochhäuser) bauen wollte, man sogar Menschenopfer dargebracht habe! Man habe Bettler oder Säufer zu einem Gelage eingeladen und danach lebend im Beton eingegossen… Schauermärchen oder die Wahrheit?
Weiter geht’s zur San Francisco Kirche, auf dem Platz werden wir von einem kleinen Mädchen mit einer Schaumspraydose attackiert, ja die Fasnacht ist in vollem Gange! Eine Verschnaufpause wird uns in einem einheimischen Markt gegönnt, wo wir eine in Kartoffelstock gefüllte Fleisch/Käsemasse, welche zu einem Ball frittiert wird, geniessen. Dazu werden noch diverse Saucen serviert, ist günstig, schmeckt lecker und füllt dem Magen!
Die Jolitas (Verkäuferinnen am Markt) fallen durch ihre breiten, bunten Röcke (mehrere Stoffbahnen übereinander) und ihre zu klein geratenen Hüte auf. Beides sind Überbleibsel der Kolonialzeit, als die vornehmen Spanischen Damen breite Röcke und elegante Hüte trugen. Auch sind die «breiten Hüften» bei den Einheimischen ein Zeichen der Fruchtbarkeit.
Weiter geht’s zum Plaza Murillo, dem Hauptplatz der Stadt mit dem Parlamentsgebäude und dem Präsidentenpalast, hier haben sich schon viele Dramen, Putschversuche und Streiks in der jungen Geschichte der Bolivaner abgespielt. Unsere Führer erzählen uns einige Stories, teilweise sind sie schockierend und blutig!
Dann geht es zur Sol y Luna Bar, wo wir einen Bolivianischen Drink (ähnlich wie Pisco Sour, aber mit bolivianischem Schnaps) erhalten. Hier werden noch die Vorzüge des Präsidenten Eva Morales sowie seine Nachteile aufgezählt (er spricht frei nach Schnauze und das komme selten gut). Es gibt schon zwei Bücher voll mit seinen «urkomischen Reden».
Am Abend gibt es feines Fondue im Swiss Fondue… ein Freiburger hat hier ein Restaurant aufgemacht, der Käse stammt von zwei Schweizern, die in der Nähe von Santa Cruz eine Käserei führen. Das Fondue mit Pilzen ist sehr würzig und schmeckt super. Leider ist die Portion nicht sehr gross geraten, aber wir wollen nicht meckern… Freude herrscht!
Moni hat heute Geburi, leider geht es ihr wegen ihrem Magen alles andere als gut, sie ist auf die Nähe einer Toilette angewiesen. Deshalb verbringen wir fast den ganzen Tag im Zimmer. Am Nachmittag machen wir einen Spaziergang, unser Ziel ist der Teleferico Rojo.
Die Strasse ist jedoch vollgestopft mit Fasnacht feiernden Menschen und es dauert nicht lange und wir bekommen eine volle Ladung Schaum ins Gesicht. Das ist einfach normal hier und bestimmt besser als mit Wasser gefüllte Ballone, wie sie das früher gefeiert haben. Es fängt an zu Regnen und so kehren wir unverrichteter Dinge wieder ins Hotel zurück. Sobald wir wieder im Trockenen sind, giesst es in Strömen, Glück gehabt!
Am Abend geht’s dann ins Moustache, das ist ein französisches Gourmet-Bistrot. Moni wählt ein feines Stück gebratenes Fleisch, Stefan geniesst seine Forelle auf Entencarpaccio. Diese Zusammenstellung ist sicher ungewöhnlich, schmeckt aber lecker! Zu diesem Festmahl gönnen wir uns natürlich eine feine Flasche Rotwein.
Heute ist Seilbahnfahren angesagt, wir besteigen die gelbe und die grüne Strecke mit den neuen österreichischen Doppelmayr-Gondeln (aber auch die Schweizer haben da kräftig mitgebaut). Eine Fahrt kostet nur CHF 0.50. Es ist eindrücklich, über der Stadt zu schweben, hoch geht’s den Hügel hinauf. Leider ist es bewölkt und die Sicht auf die Schneeberge verhangen. Trotzdem ist die Aussicht von oben auf die Grossstadt beeindruckend.
Aufgrund der ungünstigen topographischen Lage gibt es praktisch keine breiten Hauptstrassen zwischen dem Hochland und der City, was oftmals zu langen Staus und einer langen Fahrtzeit nach El Alto zur Folge hat. Es sollen noch diverse andere Seilbahnverbindungen gebaut werden, damit diese Staus der Vergangenheit angehören.
An der Endstation angekommen, spazieren wir zu einem grossen Einkaufszentrum. In diesem modernen Komplex stehen viele Shops und eine riesige Fressmeile (nein, der Burger King befriedigt Stefan’s Gelüste überhaupt nicht). Auch ein grosses Mehrfachkino und eine Spielhalle laden zum Verweilen ein. Wir verbringen die Zeit mit einer Partie Bowling. Moni trocknet den Stefan schön ab, er hat (heute) keine Chance!
Am nächsten Tag fahren wir mit dem Teleferico Rojo, der ersten Gondelbahn von La Paz. Wir fahren hoch zum Aussichtspunkt, wo eine Guggemusik (richtige Jammermusik) spielt. Die bunt gekleideten Jolitas lassen sich trotz Stefans Charme leider nur ungern fotografieren, was wir natürlich respektieren.
In der Mittelstation besichtigen wir den grossen Friedhof mit seinen verzweigten Gassen. In vielen Gräbern hat es zu Trinken, Esswaren, Zeitungen, Kerzen und viel Kitsch und Blumen. Teilweise sind die Grabstellen auch fasnächtlich mit Ballons geschmückt, der Friedhof ist absolut sehenswert!
Jetzt wollen wir die Fasnacht von La Paz geniessen, auf bequemen Stühlen verfolgen wir den grossen Umzug durchs Zentrum. Es ist ein Folkloreumzug, die meisten Teilnehmer sind in Trachten gekleidet, es gibt aber nur wenige Vollmaskierte. Wir Gringos werden mal wieder mit Konfetti überhäuft und zusätzlich als Bonus mit Schaum eingeschmiert. Pfui, das gibt rote Flecken auf den Hosen und auf dem Pulli. Auffallend sind die unzähligen Strassenhändler. Jeder will etwas verkaufen, Espuma (Schaum), Weinbeeren, Hamburger, Süssigkeiten, Bier, Mineral, Regenschirme, Umhänge oder was man sich sonst noch alles vorstellen kann.
Es hat die ganze Nacht lang durchgeregnet, die armen Fasnächtler! Mit dem Taxi fahren wir zum Friedhof, dort warten bereits diverse Busse und Cars, die alle nach Copacabana fahren. Wir werden sofort von mehreren Anbietern bedrängt und setzen uns ins den erstbesten Bus, gleich hinter dem Fahrer. Ein unfreundlicher protziger Einheimischer wollte uns von den Plätzen verweisen, doch Moni hat sich bestimmt gewehrt. Die anderen Plätze im Bus sind eher für kleinere Leute gemacht.
Das Gepäck wird auf dem Dach fest gezurrt, der Bus ist mit 15 Leuten vollgestopft. Es dauert eine Weile, bis wir aus der Stadt raus sind, zuerst geht es wieder steil den Berg hoch und dann über übelste Dreckpisten langsam und mit viel Gehupe aus der Stadt raus. Es herrscht ein richtiges Verkehrschaos, da wird die Gegenspur einfach beschlagnahmt und weiter geht’s, krasse Fahrweise!
Danach wird die Strasse besser, unser Fahrer hält sich leider für einen unterbezahlten Rennfahrer. Er schneidet die Kurven, dass es uns schlecht wird, vor allem wenn es talwärts geht, ein richtiger Spinner! Unterwegs müssen wir aussteigen um mit einer Personenfähre über den Titicacasee übersetzen. Unser Bus setzt dann in einem anderen Boot ans andere Ufer über. Froh, die Bus(tor)tour heil überstanden zu haben, kommen wir in Copacabana an.
Etwas verloren stehen wir mit unserem Gepäck auf dem Hauptplatz und wissen nicht recht, wohin wir jetzt sollen. Wir haben nur die Strassenbezeichnung vom Airbnb und es steht nirgends eine Strasse angeschrieben. Wir fragen uns durch und spazieren mit Sack und Pack die Strasse runter in der Hoffnung, unser Häuschen zu finden. Ja, fast am Ende der Strasse erblicken wir unsere Unterkunft. Kaum sind wir im Trockenen, fängt es stark an zu regnen und es wird kalt, leider auch in der ungeheizten Wohnung.
Copacabana ist eine kleine Stadt und liegt auf der Copacabana-Halbinsel direkt am Ufer des 3.810 m hoch gelegenen Titicaca-See. Am Nachmittag flanieren wir durch den Stadtkern, der einzige Supermarkt hat geschlossen und der Mercado mit «frischem» Gemüse, Früchte und Fleisch bekommt von Moni die Note: Wääh!
Die Basilika im maurischen Stil sieht von aussen noch beeindruckend aus. Wie wir von der englisch sprechenden Bäckerin erfahren, steht hier eine der wenigen Kirchen in Südamerika, wo man sein Auto taufen lassen kann!!! Wir sehen viele Autos, bunt geschmückt mit Blumen und Ballonen. Danach wird das Auto mit Wasser, Bier oder Schampus bespritzt (je nachdem wie teuer das Auto und wie wohlhabend der Inhaber ist). Die Blumen bleiben so lange am Auto, bis sie von selber abfallen! Ein Priester segnet das Auto und die Fahrer, ein Schamane räuchert das Auto aus, wenn also der christliche Segen versagt, hilft ja vielleicht der Schamanismus? Interessant, diese Taufe mal live zu erleben!!
In einem kleinen Shop werden wir fündig und kaufen einige Zutaten, damit wir wenigstens Pasta kochen können. An einem kleinen Gemüsestand kaufen wir noch die Zutaten Tomaten, Zwiebeln und Kartoffeln, natürlich alles in so kleiner Menge, dass die Verkäuferin schmunzeln muss.
Am Abend wird das Cheminée eingefeuert, doch leider bringt das wärmetechnisch praktisch überhaupt nichts, so ist es extrem kalt im Häuschen. Moni geht mit dem Mützli und in Vollmontur ins Bett!
Das Bett ist eine Marter, nur eine dünne Matratze, darunter verbirgt sich ein Metallgestell. Wir haben eine unruhige Nacht hinter uns. Deshalb beschliessen wir, dass wir hier sicher nicht wie gebucht noch zwei Nächte verbringen werden! Wir melden es unserem Host Bernardo via Mail und er entschuldigt sich, dass er keinen Heizstrahler im Haus hat und wir uns nicht wohl fühlen. Er erlässt uns die Hälfte des Preises für drei Nächte! Das finden wir sehr grosszügig und aus diesem Grund hinterlassen wir ihm als Dank noch eine Flasche Wein.
Das Wetter wird besser, es hat aufgehört zu Regnen. Trotzdem verzichten wir auf den Ausflug auf die Isla del Sol, die Hauptsehenswürdigkeit von Copacabana. Wir wandern stattdessen dem Ufer des Titicacasees entlang, verfolgt von einer Horde Hunde. Später rennt uns in vollem Galopp ein grosser Hase auf dem Wanderweg entgegen, lustig!
Später scheint doch noch etwas die Sonne, wir versöhnen uns mit Copacabana und kredenzen uns einen Apéro draussen auf der Terrasse mit Blick auf den See. Auch diese Nacht finden wir nur spärlich Schlaf, zu unbequem ist das B(r)ett.
In einer ersten Etappe fahren wir heute drei Stunden mit dem Car bis nach Puno. Das Fahrzeug ist schlecht gewartet, die Hinterradfederung lässt sehr zu wünschen übrig und wirft uns jedes Mal, wenn er über ein Hindernis fährt, fast aus dem Sitz.
Kurz nach Copacabana erreichen wir den Grenzübergang Kasani, wo wir zuerst aus Boliven auschecken, danach zu Fuss über die Grenze laufen und dann in Peru wieder unseren Visastempel abholen. Alles verläuft sehr schnell und problemlos. In Peru wird die Zeit um eine weitere Stunde zurückgestellt, jetzt sind es bereits sechs Stunden hinter der Schweiz.
Die Menschen am See leben vom Fischfang, der Fischzucht und von der Landwirtschaft. Erst später erfahren wir, dass der See total verseucht ist ab dem Abwasser der Städte und dem Abfall der verschiedenen Minen.
In Puno angekommen gibt es eine kurze Pinkelpause und mit dem nächsten Car geht es weiter nach Arequipa. Mühsam langsam quält sich unser Bus in Puno die Anhöhe hinauf, danach geht’s schneller aber immer noch gemächlich weiter in Richtung Juliaca, einer dreckigen, lärmigen Grossstadt.
Ein Highlight ist sicher die Gratisvorführung eines zugestiegenen Gastes, welcher 1 ¼ Std. über seine Produkte Ginseng-Konzentrat, Coca-Arnikasalbe und Ginseng-Bonbons referiert!!! Er zählt vermutlich sämtliche Krankheiten im Detail auf, welche mit dem Allerwelts-Heilmittel vorgebeugt oder geheilt werden können und unterhält den ganzen Car mit seinem Geschwafel.
Über karge Andenlandschaften von bis zu 4’500 Höhenmetern geht es nebelverhangen bergab bis auf 2’300m, bevor wir in Arequipa ankommen. Über eine Stunde fahren wir durch den Feierabendverkehr der Grossstadt, bis wir endlich im Busterminal ankommen. Kein Zuckerschlecken für den Carfahrer, sich in diesen überfüllten Strassen zu behaupten!!
Mit fast zwei Stunden Verspätung erreichen wir dann mit einem Taxi das Hotel. Hier fühlen wir uns sauwohl… das Zimmer ist ruhig, sauber, modern, hell, grosszügig und warm, einen solchen Luxus sind wir uns nicht mehr gewohnt.
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