Blog Suriname
Fast eine Stunde vor Zeitplan landen wir in Suriname. Bereits im Flieger wird uns mitgeteilt, dass die Einreise/Zollbestimmungskarten ausgegangen sind. Bei der Zollbehörde wird dieses ansonsten «extrem» wichtige Detail einfach vergessen. Dafür dürfen wir je 35 USD Touristen-Visagebühren abdrücken, bevor wir den ersehnten Einreise-Stempel erhalten. In Suriname wird auf der falschen (linken) Seite Auto gefahren, dabei handelt es sich wohl noch um ein Überbleibsel der früheren, englischen Kolonialmacht.
Suriname feiert seit dem Jahr 1975 seine Unabhängigkeit von den Niederlanden, die Einwohnerzahl liegt bei ungefähr 540’000, davon leben fast die Hälfte in der Hauptstadt Paramaribo. Die Stadt liegt am Ufer des Flusses Suriname, ca. 23 km stromaufwärts vom Atlantik entfernt. Noch immer besteht fast 80% des Grundgebietes aus Regenwald mit mehr als 1’000 Baumarten. Dieser Urwald ist Teil des grössten Regenwaldes der Welt, des Amazonas-Urwaldes.
Bezahlt wird in Suriname-Dollar oder in USD, es ist aber gar nicht so einfach, an die einheimische Währung zu gelangen. Erst nach viel Geduld erhalten wir an der fünften ATM-Maschine die gewünschten Scheine.
Paramaribo ist ein faszinierender Schmelztiegel aus verschiedensten Religionen, Menschen und Architektur. Eine spannende Mischung, wie wir sie bisher in Südamerika noch nirgends so intensiv angetroffen haben. Die beeindruckenden, holländischen Kolonialbauten (Unesco-Weltkulturerbe) sind zum Teil in einem baufälligen Zustand, auch auf die Plastik-Abfallberge am Flussufer könnten wir gut verzichten. Wir staunen ob den vielen afrikanisch-stämmigen Menschen, man fühlt sich fast wie im tiefsten Afrika! Vor allem die wilden, ausgeflippten Frisuren sind ein farbenfroher Hingucker.
Wir wühlen uns durch indische Krimskrams-Shops, spazieren vorbei an verschiedensten Gottestempeln und staunen ab den grossen, chinesischen Leuchtreklamen bei den Supermärkten. Der Palmengarten, der Präsidentenpalast und die grosse Markthalle mit den verschiedensten Gerüchen sind weitere Hauptattraktionen auf unserer Besichtigungstour.
Wir wollen das Land und den Regenwald erkundigen und haben in Paramaribo eine achttägige Tour gebucht. Der erste Reiseabschnitt führt uns mit dem Bus ins Naturresort Berg en Dal. Als wir aus der Stadt fahren, schafft es der Bus maximal auf 25km/h, eine Getriebe-Panne? Wir fahren links ran und warten, bis ein Busersatz eingetroffen ist.
Stefan gönnt sich beim anschliessenden Mittagessen auf der Lodge eine feine Suppe. Die orange Peperoni, in welche er mit Wonne hineinbeisst, entpuppt sich als Surinamesische Habanero der Marke VORSICHT, TEUFLISCH SCHARF!!!!!!! Stefan braucht Minuten um sich zu erholen, Schweissausbruch, Tränen und zum Schluss ein Lachanfall inklusive! Das «Missgeschick» macht dann auch rasch im ganzen Resort die Runde, «don’t mess with suriname pepper» schmunzelt später ein Angestellter, die dienen eigentlich nur als Gewürzdekoration in der Suppe!
Als wir an der Rezeption nach den Dschungelwalks fragen (auf dem Programm sind zwei Touren) meint die Anbieterin, die seien nicht verfügbar. Es sei zu nass gewesen und es liegen Baumstämme auf dem Weg, wir sollen doch Ende Monat wiederkommen. Na toll, extra deswegen sind wir doch hierhin gekommen, Stefan ist entsprechend sauer!
Unsere Häuschen im Urwald ist geräumig und verfügt sogar über eine Klimaanlage! Relaxen auf der gedeckten Terrasse ist angesagt, es regnet jetzt in Strömen. Tja, willkommen im Regenwald, wir sind mitten in der Regenzeit angelangt, in der es jeden Tag mindestens einmal kräftig regnet. Auch am Abend sitzen wir draussen, um den Leuchtkäfern zuzuschauen und den verschiedensten Tiergeräuschen zu lauschen.
Wir haben uns für die Tour «historische Wanderung» angemeldet. Mit dem Bus fahren wir ins Dorf Berg en Dal. Kaatje, der einzige Bewohner der ehemaligen Holzplantage, begrüsst uns und erzählt, dass vor dem 80er Jahre Krieg hier noch hunderte, kleine Häuschen standen. Der berühmte holländische Fussballer Clarence Seedorf stammt übrigens aus diesem Dorf und ist mit unserem Führer verwandt! Kaatje hat über dreissig Jahre in Rotterdam gewohnt und ist danach wieder in seine Heimat zurückgekehrt, wo er zuerst Wild gejagt, danach illegal Gold geschürft hat und jetzt Touristen durch seine Heimat führt.
Die Sklaven lebten für ihre Verhältnisse in sehr luxuriösen Behausungen und wurden auch sonst gut gehalten. Man hatte Angst, dass sie sich sonst mit den Eingeborenen (Maroons) zusammentun und gegen die Kolonialmacht rebellieren. Berg en Dal war die äusserste Plantage des ganzen Landes, weiter draussen gab es nur Urwald.
Wir kriegen Wanderstöcke und Kaatje zeigt uns sein Revier, in seinem kleinen Museum hat er Utensilien aus dem Dorf zusammengetragen. Danach wandern wir auf den Amarillo-Hügel hoch, wo ein alter Friedhof steht. Man sieht nur drei Steingräber, bei allen übrigen Gräbern sieht man höchstens noch die Gruben, wo sich die Erde gesenkt hat. Es ist nicht bekannt, seit wann und wie viele Menschen hier begraben wurden.
Kaatje erzählt uns über einige Pflanzen und Früchte auf dem Weg rauf und wieder runter. Wir sehen blaue Schmetterlinge und Kolibris. Zurück in der Lodge begegnen uns einige riesige Chamäleons und Igutis, die sehen aus wie riesige Meerschweinchen und hüpfen wie die Hasen durchs Dickicht.
Endlich beginnt für uns das (von Stefan) ersehnte Abenteuer Urwald! Zusammen mit Naomi und Zita aus Amsterdam fahren wir mit dem Bus eine gut geteerte Strasse bis zum Hafen von Aijoni. Von hier aus geht es mit dem Boot weiter. Es gibt da nur ein kleines Problem, beide Tankstellen sind leergeräumt und es gibt kein Benzin mehr für die Boote!!! Der chinesische Händler habe mehr Benzin als sein Kontingent erlaube bestellt. Daraufhin habe die Polizei gleich die ganze Ladung gestoppt, krass!
Während wir unser Essen erhalten in einem kleinen Restaurant, telefoniert unser Führer Chapeau herum. Wir können unterwegs in einem Dorf Benzin kaufen. So fahren wir mit unserem Langboot (ohne Unterschlupf) dreieinhalb Stunden den Surinamfluss aufwärts. Unterwegs holen die Männer Benzin, während wir Touristen den einheimischen Frauen zuschauen, wie sie ihre Küchenutensilien, ihre Wäsche und sich selber in diesem braunen Wasser reinigen.
Unterwegs beginnt es zweimal an stark zu regnen, es giesst in Strömen und wir werden trotz Regenschutz nass. Wenigstens ist es warm und unser Gepäck ist unter einer Plane geschützt. Ansonsten geniessen wir die Bootstour und den Urwald um uns herum. Ab und zu fahren wir an kleinen Dörfern oder einer Lodge vorbei, bis wir auf unserer Insel «Pingpe Lodge» anlanden. Nootje und «Digicell» heissen uns willkommen. Sie sind für die nächsten zwei Tage unsere Führer.
Klitschnass beziehen wir unsere sehr einfache Unterkunft. Die ist geräumig, hat eine Dusche und ein WC. Die Unterkunft wird nicht nur von uns bewohnt. Moni erschrickt, als wir Licht machen und ihr eine Fledermaus um den Kopf fliegt! Später nennen wir uns Haustierchen dann liebevoll «Betty-Bat». Zudem teilen wir unser Zimmer mit Spinnen, Ameisen, Käfern, kleinen Kakerlaken, Insekten und Gekos. Welcome to the Jungle! Wenigstens können wir uns in der Nacht unter ein schützendes Mosquitonetz verziehen.
Bereits um 5.30 Uhr werden wir geweckt, auf geht’s zur gemütlichen «Kaffeefahrt», bei einer wärmenden Tasse Kaffee oder Tee lassen wir uns mit dem Langboot den Surinam hinuntertreiben. Die Nebelschleier lichten sich langsam und erste Sonnenstrahlen wärmen unsere Körper. Still lauschen wir den Geräuschen des Dschungels. Eine kleine Zikade (Grille) verursacht den Lärm einer Motorsäge! Wir beobachten Kingfisher, Reiher, Papageien und sichten sogar einer kleinen Horde Affen. Es sind kleine «Goldenhand Tamarinds», alle grossen Affenarten wurden von den Einheimischen gejagt und verspeist.
Um acht Uhr wird in der örtlichen Schule strammgestanden, die surinamische Flagge gehisst und dazu gesungen. Wir besichtigen eine christliche Schule, wo über hundert Kinder gelehrt werden. Die Schulleiterin begrüsst uns und beantwortet diverse Fragen. Im Unterricht wird gesungen, geschrieben, Mathe gebüffelt und gelesen, Computer gibt es in dieser Schule keine. Zu Hause gehen die Familien ihren Vodoo-Ritualen nach, in der Schule werden die Kids zu Christen erzogen.
Später steht eine vierstündige Dschungeltour auf dem Programm. Die geschulten Augen von Nootje finden für uns den kleinsten Frosch, die grösste Ameise, Echsen, Tausendfüssler, einen schwarzgrünen Pfeilgiftfrosch, eine schwarze Vogelspinne, Faultiere und vieles mehr. Als krönender Abschluss klettern wir den «Ananas-Hügel» hoch, von wo aus wir ziemlich verschwitzt die tolle Aussicht auf die Umgebung geniessen.
Tropfnass vor Hitze, kommt danach ein Bad in den Stromschnellen gerade recht. Wir halten uns am Teppich der Grünpflanzen fest und lassen uns wie auf einer Wasserrutsche treiben.
Nach einer kurzen Erholungsphase düsen wir schon wieder los, um das Dorf Penpe zu erkundigen. Hier wohnen drei Grossfamilien eines Maroon-Stammes, ca. 200 Leute. Die jungen, kräftigen Männer arbeiten jedoch in Paramaribo oder wenn sie Glück haben in Franz. Guyana. Hier gibt es kaum Jobs und dort kriegen sie mehr Geld. Die Männer können bis zu sieben Frauen haben, sie müssen aber (unter anderem) pro Frau mindestens drei Gebäude aufstellen, ein Wohnhaus, eine Küche und eine Vorratskammer. Die Frauen dürfen übrigens den Friedhof auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses nie betreten, erst wenn sie verstorben sind. Leichname werden einbalsamiert und zum Teil (je nach Wichtigkeit) bis zu Monaten draussen aufbewahrt, bevor sie dann in ihr Grab gelegt werden.
Bereits das Betreten und Verlassen des Dorfes ist für uns eher speziell. Männer gehen den linken Pfad, die Frauen rechts durch. Wenn eine Frau die «Mens» hat, muss sie um die Eingangspforte herumgehen, ansonsten bringt sie schlechte Geister ins Dorf hinein! Sie schläft dann separat und darf auch nicht für andere Leute kochen! Die Menschen glauben hier noch an die Macht des Vodoo und deren Zauber. Sie haben Opferplätze (welche nicht fotografiert werden dürfen), wo sie Alkohol und Kräuter opfern und die Ahnen und die Erde anbeten! Wir fühlen uns hier ein wenig wie im Mittelalter, es ist authentisch und hat nichts Massentourismus zu tun!
Obwohl wir nach dem taffen Tagesprogramm todmüde sind, steht noch eine Tanzvorführung der lokalen Tanzvereinigung auf unserem Programm. Die Frauen klatschen mit den Händen und Singen Geschichten aus dem täglichen Leben, dazu wird getanzt. Auffällig ist, dass sie sich immer vorbeugen, so wie sie Lebensmittel am Boden stampfen würden. Der ekstatische Bauchtanz ist sicher nicht einfach nachzumachen. Auch wir Touristen werden aufgefordert, uns zu bücken und unsere Hintern im Takt zu schwenken (eher mit weniger Erfolg).
Back to Basic – heisst der abenteuerlichere Teil unserer Reise. Zusammen mit Peter, Liesbeth und Reza sowie zwei Frauen vom Dorf (unsere Trägerinnen) und unserem Führer Chapeau fahren wir mit dem Boot rüber zum Dorf. Von hier aus geht es zu Fuss ca. 10 Kilometer oder vier Stunden in den Urwald hinein. Wir wandern im Sekundär- und Primärwald. Sekundärwald: hier wurden die alten, hohen Bäume gerodet, deshalb ist jetzt alles zugewachsen und finster. Primärwald: die hohen Bäume stehen noch, unten wächst nicht viel nach, da braucht es keine Machete.
Chapeau geht vor, danach folgen wir, als Schluss die beiden Frauen mit den Flipflops und den schweren Blecheimern auf dem Kopf (mit unserer Verpflegung). Einmal lässt eine Trägerin alles fallen, die sind also auch nicht unfehlbar.
Was wir unterwegs alles sehen nebst der zum Teil unberührten Natur: giftige Frösche, Zikaden, riesige Blattschneiderkolonien (bis zu 6 Meter tiefe Bauten), Wurmröhren und… direkt auf unserem Pfad liegt die gefährlichste Schlange des Dschungels, eine «Bushmaster» Buschmeisterschlange! Chapeau tötet das Tier mit einem starken Ast. Es sei zu gefährlich, die nur fortzujagen, weil sie wiederkommen kann und ihr Biss einen Menschen tötet.
Chapeau hat gute Augen und sieht Tiere, allen voran die Frösche, die so gut getarnt sind, dass wir sie manchmal nicht von einem Blatt unterschieden können.
Chapeau erklärt uns auch die Buschpolizei, das ist ein Vogel: sobald er menschliche Geräusche hört, warnt er mit einem lauten Geschrei alle Tiere in der Umgebung. Vor allem die Jäger haben ihre Mühe mit diesen Vögeln!
Der Telefonbaum ist ein wichtiges Kommunikationsmittel im Dschungel, wenn man mit der Machete oder einem Ast dagegen haut, tönt das extrem laut und ist von weitem hörbar. Dreimal schlagen heisst SOS, ich brauche Hilfe! Ein anderer Baum «wandert» mit seinen Ästen einige Meter durch den Wald. Ein weiterer Baum nimmt die Nahrung nicht über Wurzeln auf sondern hat extrem lange Stacheln, mit denen er Baumreste und Blätter auffängt, die dann kompostiert werden und ihm als Nahrung dienen, Wunderwelt Natur!
Es ist heiss und drückend im Urwald, regnet aber zum Glück nicht. Auch einige kleine Bäche werden mit langen Holzstöcken als Balance überwunden. Wir und unsere Kleider tropfen vor Schweiss. Die arme Moni weist am Schluss an ihren Beinen unzählige Beiss- oder Stichwunden auf.
Nasty und zwei weitere Buschmänner heissen uns im Camp willkommen. Sie arbeiten an der Buschtoilette, einem Plumpsklo im Dschungel. Es wird aber heute nicht fertig… wir sollen einfach ein Loch graben und das danach wieder zuschütten… naja, zum Glück «müssen» wir nicht! Raus aus den verschwitzten Klamotten, wir gönnen uns ein kühlendes Bad im kleinen Fluss, eine Wohltat!
Danach versucht sich Stefan beim Angeln. Ein riesiger Angelhaken und ein Stück Poulet dienen als Köder, das müssen wirklich riesige Fische sein! Wir haben aber kein «Petri Heil», das Wasser sei im Moment zu hoch.
Unser Camp ist spartanisch eingerichtet, drei Hütten (eine Küche, ein Schlafraum für die Angestellten und ein Schlafraum für uns. Am Boden hat es überall rote Ameisen, Vorsicht ist geboten! Hier werden für uns fünf Hängematten mit Moskitonetzen montiert.
Vor dem Abendessen regnet es in Strömen. So stark, dass wir befürchten, dass das Feuer in der Küche ausgeht. Die Männer müssen einen tiefen Graben um die Hütte ziehen. Es schüttet über Stunden, wir verziehen uns in unser Schlafraum und vertreiben unsere Zeit mit dem «Arschloch-Jass». Stefan erklärt kurz die Regeln und danach haben alle Spass an unserem Spiel. So endet unser Abend, bevor wir dann müde in den Hängematten versinken. Die Geräusche der Tierwelt und das Rauschen des Flusses lullen uns ein.
Der lustige Nasty erzählt uns beim Frühstück einige tiefgründige Tierfabeln aus dem Urwald. Die Moral der Geschichte endet meistens damit, dass man gottesfürchtig sein und die Familie und Kinder ehren und beschützen soll. Danach betet er laut für uns, damit wir alle gesund die Heimreise überstehen! Wir sind gerührt ab der Herzlichkeit dieses Dschungel-Mannes!
Auf dem Rückweg treffen wir auf eine braune Tarantel (Goliathvogelspinne), der wohl grössten Spinne, die wir je zu Gesicht bekommen werden. Das Viech ist giftig und selten. Somit haben wir auf unserer Dschungel-Tour die drei giftigsten Tiere des Dschungels angetroffen!
Am frühen Morgen verabschieden wir uns von der Pingpe Lodge (das nächste Bett sehen wir dann erst in 33 Stunden) und fahren mit dem Taxiboot und dem Bus zurück nach Paramaribo. Mitten in der Nacht geht unser Flug via Chayenne (Franz. Guyana) nach Belem (Brasilien).
Unsere restlichen Suriname-Dollar können wir nicht in USD zurück wechseln, das ist praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Weder im Hotel, im Casino noch an der Wechselstube oder am Flughafen kann diese Währung umgetauscht werden! Somit verprassen wir den Rest unseres Geldes am Flughafen.
Leave a reply