Blog Tiflis & Telavi / 14.08. – 20.08.2018
Die ersten vier Nächte verbringen wir in einem kleinen Appartement in der Nähe der Rustaveli Avenue. Die Hauptstadt von Georgien versprüht ihren einzigartigen Charme, wenn man durch ihre Altstadt-Gassen flaniert.
Teilweise wurden die alten Paläste und Herrenhäuser sorgfältig renoviert, während daneben baufällige Ruinen auf ihre Wiederauferstehung warten. Obschon Tiflis über ein Metrosystem verfügt, sind die Hauptsehenswürdigkeiten gut zu Fuss erkundbar.
Erschreckend sind die vielen Randständigen, meist alte Leute, welche einsam und verzweifelt um ein paar Lari betteln. Auch Strassenmusikanten und andere Überlebenskünstler trifft man praktisch an jeder Ecke an.
Der beste Weg, Tiflis zu erleben und etwas über die Geschichte und deren Bewohner zu erfahren ist die Teilnahme an einer Free Walking Tour.
Auf der «Alternative Tour» besuchen wir Tiflis abseits des Touristenstroms. Yana, eine junge Russin hat sich in diese Stadt verliebt und führt uns mit viel Elan durch die weniger bekannten Stadtteile.
Start ist in der Fabrika, einer alten Sowietischen Näh-Fabrik, welche zu einem Hostel und diversen Bars/Restaurants umgebaut wurde. Die Fassade ist mit unzähligen Wandmalereien bedeckt.
Im strenggläubigen Georgien steht natürlich auch der Besuch einiger Kirchen auf dem Plan. In der griechisch-orthodoxen Kirche müssen die Frauen eine Kopfbedeckung sowie einen langen Rock tragen, Männer mindestens knielange Hosen. Strenggläubige Menschen bekreuzigen sich jeweils dreimal vor jeder Kirche, an der sie vorbei gehen.
Die Messen dauern hier um die vier Stunden, Sitzbänke sucht man vergeblich. Die Georgier möchten sich zwar nach Europa öffnen, in den Dörfern sind sie jedoch immer noch extrem konservativ eingestellt.
Sexshops und Bordelle gibt es offiziell nicht und sind ein Tabu-Thema. Ihre Töchter sollen als Jungfrau in die Ehe, interessanterweise ist der meist gemachte chirurgische Eingriff die Wiederherstellung des Jungfernhäutchens.
Während der fast dreistündigen Wanderung besichtigen wir riesige Mosaikarbeiten aus der sowjetischen Zeit, machen Halt in pittoresken Hinterhöfen und besuchen einen alten Weinkeller, um Käse und Wein zu degustieren. Der Käse ist extrem salzig und wir hoffen mal, dass wir auf unserer Reise noch besseren Wein finden.
Kulinarisch hat Georgien einiges zu bieten, wir lieben die Khachapuri (gebackenes Käsebrot) und natürlich auch die Chinkali (gefüllte Teigtaschen).
Eine weitere Spezialität des Landes sind die Churchkhela. Was von Weitem aussieht wie eine getrocknete Wurst, entpuppt sich als leckere Nussrolle. Walnüsse oder Haselnüsse werden mit einer Mischung aus Mehl und Weintraubensaft überzogen und an der Luft getrocknet.
Die Georgier sind bekannt dafür, keine Kostverächter zu sein. Sie lieben stundenlange Gelage, an welchen Unmengen an Esswaren und Wein vernichtet werden. Dazwischen wird bevorzugt der einheimische Grappa «Chacha» getrunken.
Auffällig sind die älteren Herren, welche ihre zum Teil antiken Bücher am Strassenrand anbieten, wer kauft bloss solche alten Schmöker?
Beim Schlendern über den Flohmarkt staunen wir, was da alles angeboten wird! Der Markt ist ein richtiges Freiluftmuseum, sogar Gasmasken aus Zeiten der vergangenen Sowjetunion stehen im Angebot.
Georgien gilt als sicheres Reiseland, nach der Amtseinführung des früheren Präsidenten Saakashvili wurde die Korruption bekämpft. Sämtliche Polizisten wurden entlassen und es wurde ein neues Korps aufgebaut. Mit fairem Gehalt, modernen Einsatzfahrzeugen und transparenten Polizeigebäuden wurde eine vertrauenswürdige Polizeigewalt aufgebaut.
Mit einer modernen Gondelbahn gelangt man auf den Hügel, um die Aussicht auf die Stadt zu geniessen. Von hier oben thront die Statue Mother Georgia, die Beschützerin der Stadt.
Vom Narikala Fort aus dem 5. Jahrhundert blickt man hinunter auf den riesigen, botanischen Garten. Der Weg führt uns durch die Schlucht zu einem kleinen Wasserfall.
Ein weiteres Highlight sind die Schwefelbäder, welche schon seit Jahrhunderten als Heilbäder dienen. Bei dieser Hitze draussen zieht es uns jedoch nicht in diese sehr heissen Bäder.
Sehenswert ist auch der malerische Uhrenturm, welcher der Künstler Rezo Gabriadze im Jahr 2010 errichtet hat. Zur vollen Stunde erscheint ein Engel mit einem kleinen Hammer, um die Glocke zu läuten.
Die bogenförmige Friedensbrücke über den Fluss Mtkwari setzt sich in der Nacht mit ihren unzähligen Lichtern gekonnt in Szene.
Auch kulturell kommen wir nicht zu kurz, im Rike-Park findet abends ein kostenloses Konzert statt. Vier Tenore singen einheimische Lieder, die Männer der Tanztruppe springen wie Derwische über die Bühne, die Frauen in ihren glamourösen Kostümen gleiten graziös dahin.
Die mächtige Kathedrale Sameba gilt als das grösste Kirchengebäude von Transkaukasien, sie steht auf dem Elias Hügel und ist von einer sehenswerten Parkanlage umgeben.
Die beste Aussicht über die Stadt hat man vom Berg Mtazminda aus. Hinauf gelangt man bequem mit der Standseilbahn aus dem Jahr 1905. Man kann sich auf der Terrasse des Restaurants verwöhnen lassen oder in der grosszügigen Parkanlage spazieren.
Zu Fuss gelangen wir über steile Stufen hinunter zum Pantheon. Dieser Friedhof ist eine offizielle Begräbnisstätte von bekannten Dichtern und Staatsmännern und die Bronzestatuen der Gräber können sich sehen lassen.
Ein Besuch der bekanntesten Weinregion Kachetien steht auf dem Plan. Doch wie kommen wir nach Telavi, der Hauptstadt dieses Weingebietes? Das Taxify-App verspricht keinen Erfolg und auch kein Taxifahrer will die 100km lange Strecke auf sich nehmen.
So fragen wir unseren AirBnB Host Tinatin um Rat. Wie es der Zufall will fährt sie heute zusammen mit zwei Freundinnen in die Weinregion und sie hat noch freie Plätze für uns! Über die kriminelle Fahrweise der Georgier könnten wir einen separaten Blog schreiben, einfach am besten nicht nach vorne schauen.
Als wir in der regen Diskussionsrunde auf die Russen zu sprechen kommen, können sich die Frauen vor Zorn nur schwer wieder beruhigen. Zu tief brennen die Wunden des Kaukasuskriegs von 2008.
Drei Stunden später werden wir in der Strasse abgeladen, wo sich das Eto Gästehaus befinden soll. Wir klopfen an das Tor des Hauses, in dem wir das Hostel vermuten. Nach einer Weile öffnet uns ein altes Mütterchen. Sie spricht kein Wort englisch, dabei haben wir uns erhofft, dass sie uns eine Weintour vermitteln kann.
In der kleinen Altstadt gibt es einen 900-jährigen Baum und eine Burganlage zu besichtigen. Auf dem Tourismus-Büro werden auch keine Weintouren angeboten, wir werden an eine Weinhandlung verwiesen.
Als wir gemütlich auf einer Terrasse unser Abendessen geniessen, nehmen die schwarzen Wolken überhand und ein kräftiger Regenguss lässt uns ins Restaurant flüchten. Vom Trockenen aus werden wir Zeuge, wie das Gewitter die Strassen in kürzester Zeit zu kleinen Flüsschen anschwellen lässt! Die Stromversorgung der ganzen Stadt bleibt die ganze Nacht unterbrochen.
Nach Donner und Blitz folgt ein schwerer Hagelsturm, man könnte mit den Hagelkörnern eine Schneeball-Schlacht starten. Leider ist das Unwetter eine Katastrophe für die umliegenden Winzer, da ihre gesamte Jahresernte innert einer halben Stunde vernichtet wird!
Nach einigen Verhandlungsgesprächen in der Weinhandlung gelingt es uns, einen Fahrer zu organisieren. Er spricht zwar kein Wort englisch, wird uns aber die Weinregion zeigen und die bekanntesten Weingüter ansteuern. Frauke und Fabian aus Deutschland aus demselben Gästehaus begleiten uns auf der Tour.
Die Landschaft des Weingebietes mit dem Kaukasusgebirge im Hintergrund und den imposanten Klosterkirchen weiss durchaus zu gefallen.
In Kvareli besuchen wir die Kooperation Kindzarauli. Eine nette Angestellte führt uns durch den Betrieb und erklärt in bestem Englisch, wie die traditionelle Weinherstellung abläuft. Im Anschluss findet natürlich eine kleine Weinverkostung statt.
Weinbau in Georgien hat eine über 7000 Jahre alte Tradition und ist damit eines der Ursprungsländer des Weines! Der Wein ist der zweitwichtigste Exportartikel des Landes, der grösste Abnehmer ist Russland, neue Märkte konnten bisher kaum erschlossen werden.
In der traditionelle Weinzubereitung werden die Trauben mit Schale und Stielen in einen Bottich gefüllt und mit den Füssen gestampft. Der Saft wird einige Tage stehen gelassen und danach in Gefässe abgefüllt, bis der Gärungsprozess abgeschlossen ist. Anschliessend reift der Jungwein in grossen Tongefässen unter der Erde.
Seien wir ehrlich, uns allen schmeckt der bernsteinfarbene Quevriwein (Amphorenwein) nicht besonders, der Geschmack ist erdig und herb. Wenn jedoch die traditionelle mit der modernen Weinherstellung vermischt wird, entstehen dabei durchaus trinkbare Weine.
Im 7km langen Stollen des Weinkellers von Khareba befinden sich über eine Million Weinflaschen! Nach einer kurzen Führung durch die Höhlengänge wartet eine Weinverkostung mit Käse und Weintraubenöl auf uns.
Schuchmann Hotel and Winery heisst das wohl bekannteste Weingut der ganzen Region. Von der Restaurant-Terrasse geniessen wir die Aussicht auf die Weinreben. Gegen einen kleinen Obulus können auch hier die bekanntesten Weine degustiert werden. Anschliessend gibt es eine kurze Führung durch den Betrieb. Die hier produzierten Schaumweine sind leider schon ausverkauft.
Nach einem kurzen Spaziergang durch den Blumengarten erreichen wir die Verkostungs-Stube von Shumi Wine, wo unsere letzte Degustation stattfindet. Wir sind uns einig, in der tollen Weinregion Kachetien schlummert noch enormes Potential für den Tourismus.
Bereits gut angesäuselt von den Degustationen werden wir in unserem Gästehaus von der Inhaberin mit Kuchen und einer Karaffe Wein empfangen. Das sind ja besten Voraussetzungen für einen langen und lustigen Abend, hicks!
Pünktlich werden wir vom englischsprechenden Fahrer des Gästehauses abgeholt, welcher uns mit seinem 45-jährigen russischen Oldtimer zum nahen Taxistand fährt. Wobei Taxistand wohl übertrieben ist, an einer Kreuzung stehen einige Autos und ein paar wartende Menschen.
Nach einigem Herumfragen organisiert uns der Fahrer einen Transport zurück in die Hauptstadt. Für unser Gepäck müssen wir extra zahlen, dafür müssen wir nicht warten, bis das Auto mit Passagieren vollgestopft ist. Mit atemberaubendem Tempo pflügt sich der mit Gastank befeuerte Mercedes durch die Hügel.
2 Comments
Ein sehr schöner Bericht! Ich habe schon öfter gehört, dass Georgien toll sein soll und jetzt bin ich auch noch überrascht darüber, wie vielfältig und abwechslungsreich es dort wirkt. Ich finde es auch toll, dass du so ein schönes Gesamtbild mit jeder Menge Leckereien, krummer Architektur und dem täglichen Leben präsentierst. 🙂
Liebe Grüße,
Silvia
Danke schöön! Wir können das spannende Land Georgien wärmstens empfehlen! Leider wird Georgien wohl in den nächsten Jahren von Touristen überschwemmt werden…