Blog El Calafate – Bariloche – Mendoza
Nachdem Stefan sein Geburtstagspäckli ausgepackt hat, steht eine fünfstündige Busfahrt von Puerto Natales Chile nach El Calafate Argentinien auf dem Programm (welche sechs Stunden dauern wird). Beim ersten Grenzposten müssen wir über eine halbe Stunde warten, weil ein dummer Tourist (ich nenn jetzt die Nationalität nicht) in einem Hostel auf Wunsch eines anderen Gastes eine Jacke mitgenommen hat. Was er nicht wusste, die Jacke war geklaut und darin befand sich ein hoher Geldbetrag… der Eigentümer hat dann die Polizei angerufen und unser Mitreisender wurde am Grenzübergang aufgehalten. Mühsam! Habe ich übrigens schon erwähnt, dass erstaunlich viele Israelis in Patagonien unterwegs sind?
Auf der argentinischen Seite heisst es nochmals warten, weil bei einem anderen Reisenden ein Ausreisestempel aus Argentinien im Pass fehlte. Das hatten die wohl beim letzten Grenzübertritt vergessen… danach verfolgt uns wieder mal starker Wind durch endlose Steppe, Pampa und Wüstenlandschaften. Erst gegen Schluss ändert sich die Landschaft und wir fahren in ein Tal hinab, wo uns der See um El Calafate in schönsten Blautönen begrüsst.
Wind, windiger, El Calafate! Beim Spazieren am Lago Argentino entlang haut es uns fast aus den Socken! Das Städtchen lebt praktisch nur von den vielen Touristen, welche den nahen Gletscher besuchen wollen. So findet man an jeder Ecke überteuerte Restaurants, Souvenirshops, Bars und Reisebüros. Wir möchten gerne ein kurzes Gletschertrekking buchen. Leider bietet nur eine Agentur diese Tour an und die ist eine ganze Woche ausgebucht, so schade!
Bewaffnet mit einem Lunch fahren wir mit dem Bus die 1 ½ Std. bis zum Nationalpark Perito Moreno. Der Gletschersee schimmert am Morgen in milchig-grauer Farbe. Wenn Engel reisen: die Sonne lacht, es ist angenehm warm und der Wind weht nur leise! So können wir volle 4 ½ Std. lang den Gletscher und den Naturschutzpark geniessen.
Der Perito-Moreno-Gletscher ist der wohl faszinierenste Gletscher des Campo de Hielo Sur, des grössten Gletschergebietes der südamerikanischen Anden. Heute gehört das UNESCO-Weltnaturerbe zu den grössten Touristenattraktionen Argentiniens mit einer Länge von 30 km und einer Fläche von 254 km2! Im Gegensatz zu den meisten Gletschern der Region zieht sich der Perito-Moreno-Gletscher nicht zurück, er wächst in der Länge aber in der Masse auch nicht eindeutig.
Wir schlendern den fest markierten Wegen und Treppen entlang und ziehen uns die Grösse dieses gigantischen Gletschers rein. Woah, wir sind überwältigt ab der bis zu 70 Meter hohen Eismasse und deren verschiedenen Farbnuancen! Wenn der Gletscher «kalbt», fliegen Brocken mit knallendem Getöse ins Wasser und treiben dann auf dem See davon. Auf einer der vielen Aussichtsplattformen geniessen wir ein unvergessliches Picknick mit Gletscherpanorama.
Moni besucht gerne den Supermarkt neben unserem Hotel, da dort immer etwas los ist: laute Latinoklänge dröhnen aus den Boxen, ein Baby wird an der Brust gestillt, die Verkäuferin grüsst mit einem total verdreckten Shirt, der Lagerist lässt eine Frucht auf den dreckigen Boden fallen, die er dann einfach wieder ins Regal legt, eine grosse Menschentraube steht geduldig vor der Frischfleischtheke an, draussen auf dem Trottoir wird gleich neben den Abfallkübeln ein grosses Asado grilliert! Moni tritt in eine am Boden liegende Tomate, die nächste Kundin schleift die Resten mit ihrem Einkaufswagen mit!
Der Flughafen von El Calafate ist idyllisch am See gelegen, nach vier Nächten geht unsere Reise weiter. Der Flug startet 20 Minuten früher als geplant, das haben wir auch noch nie erlebt, die wollen wohl rechtzeitig Feierabend machen wegen Silvester. Dank den Windböen führt uns ein holpriger Flug über wunderschöne Seenlandschaften mit karger Besiedlung nach San Carlos de Bariloche. Diese Gegend wird häufig als die Schweiz von Argentinien angepriesen. Diverse Alpen-Spezialitäten können hier in den Touristen-Restaurants bestellt werden.
Der Nahuel-Huapi-See liegt an der Grenze zwischen den Provinzen Neuquén und Río Negro im nördlichen Patagonien. In der Sprache der Mapuche bedeutet sein Name „Insel des Jaguars“. Der fjordähnliche See hat eine Fläche von 531 km² mit einer maximalen Tiefe von 460 m.
Unser Appartement ist ziemlich schmuddelig und das Internet funktioniert nicht. Wir spazieren ins nahe Zentrum, wo Stefan unbedingt ein Schweizer Käsefondue geniessen will. Es ist jedoch gar nicht so einfach einen Tisch zu finden, es herrscht überall Grossandrang. Das Fondue schmeckt gar nicht schlecht! Der Käse ist sehr rezent, leider nicht so cremig sondern kommt eher kompakt daher. Dazu werden noch Pommes Duchesse und Wurstscheibchen serviert!
In den Gassen ist die Hölle los, hunderte singende und tanzende Teenies feiern Silvester. Sie werden mit Cars vorgefahren und stehen für den Einlass in eine Disco an. Die meisten sind ganz in weiss gekleidet, die Mädchen allerdings mehr nackt als angezogen (und das bei dieser Kälte), da spürt man bei den angeheiterten Jungs eine geballte Ladung Testosteron!
In Bariloche ist es wiederum sehr windig und für die nächsten Tage wird es nicht besser werden. Auf dem Hauptplatz sieht es ein wenig aus wie in einem Bergdorf in der Schweiz, auch die Bernhardiner (natürlich inkl. Schnapsfässli) dürfen nicht fehlen. Die knuffigen Hunde lassen sich gegen Geld mit den Touristen fotografieren.
Tja, der Wind ist aufgefrischt, von 60 auf 90 Stundenkilometer… trotzdem fahren mit dem Bus zur Talstation des Cerro Otto. Mit kleinen 4-er Gondeln geht’s dann recht schwankend den Hügel hoch. Auf 1’405m Höhe angekommen wartet ein kleiner Windsturm auf uns, leider ist es dazu auch noch bewölkt, so dass wir die geniale Aussicht auf Bariloche und die umliegende Seen- und Berglandschaft nur teilweise geniessen können. Im Drehrestaurant bestelle ich einen Apfelstrudel und Moni ein Dulce di Lece Schokoladentortenstück. Ok, Moni kriegt fast eine ganze Torte, ä Guete!!
Dann ist da wieder Geldwechsel USD/ARG angesagt. Das Wechselbüro verlangt den Pass und zudem muss ich die Adresse, Tel.Nr. und Email angeben, obschon ich nur ein bisschen Noten wechseln will… andere Länder, andere Sitten?!?
Am nächsten Morgen steigen wir in den Bus, welcher vom Zentrum aus bis zum Nationalpark Llao-Llao (ausgesprochen: SchauSchau) fährt, welcher ca. 20 Kilometer ausserhalb von Bariloche liegt.
Tja, sobald wir aus dem Bus steigen um uns die malerische Seen-Landschaft anzuschauen, fängt es an stark zu regnen… so suchen wir im Besucherzentrum des Parks Schutz. Hier warten wir das Wetter ab. Da es auch viel später nicht besser wird, beschliessen wir, auf die Wanderung zu verzichten und verputzen unsere Sandwiches gleich hier.
Heute haben wir eine laaange Reise vor uns, für die 18-stündige Fahrt von Bariloche nach Mendoza gönnen wir uns wenigstens einen bequemen Executive-Schlafsessel! So haben wir etwas mehr Platz zur Verfügung und im Car gibt es wie im Flieger ein Entertainment-System sowie Essen und Trinken.
Gleich zu Beginn fahren wir durch eine spektakuläre Landschaft. Wir fühlen uns wie in einem amerikanischen Naturpark und geniessen die Aussicht auf die hohen, kantigen Felsen, kristallklaren Flüsse und idyllischen Seen. Unsere Fahrt führt uns durch Neuquen, hier werden grosse Obstplantagen (Apfel und Birnen) bewirtschaftet. Vor Mendoza rauschen wir an einigen Ölfelderpumpen vorbei.
YES, es ist endlich vorbei mit Kälte und Wind! In Mendoza ist es schon am Morgen früh angenehm warm, später wird es dann sehr heiss werden. Schnell sind wir mit dem Taxi in unserem Hostel von Valerie, welche wir um 7.30 Uhr aus dem Bett klingeln. Da unser Zimmer noch nicht frei ist, spazieren wir die paar Blocks nach Downtown, um die Stadt zu erkundigen.
Im nahen Supermarkt kaufen wir für die nächsten Tage ein. Val erklärt uns, wie wir beim Einkauf vorgehen müssen: beim Eingang nimmt man ein Kästli mit. Wenn man mit den Einkäufen fertig ist, aktiviert man an der Infowand das Kästli. Sobald es dann vibriert, erscheint dann die Kassen-Nr., wo man dann bezahlen kann.
Eine unruhige Nacht wartet auf uns, nach Mitternacht mauzt es im Gang. Danach wird die Türe geöffnet und die beiden Katzen von Val können raus, um ihr Geschäft zu verrichten. So um 02.30 Uhr hören wir, wie in unmittelbarer Nähe Töff- und Autorennen gefahren werden. Die heizen mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit um die Blocks, machen Burnouts bis die Pneus quietschen und die Auspuffanlagen knattern. Als Sahnehäubchen surrt uns dazu noch eine Mücke in den Schlaf, gute Nacht!
Andres (ein Beau, gell Moni) und sein Chauffeur holen uns heute um 9’00 Uhr zur Weintour ab. Insgesamt sind wir 10 Leute (aus ARG, BRA und Dänemark…). Wir fahren raus aus Mendoza ins berühmte Weintal Luján de Cuyo. Andres erzählt uns, dass die Stadt in einer Halbwüste gebaut wurde. Das Wasser wird via Kanälen von den Bergen in die Stadt transportiert. Hier wäre sonst alles furztrocken… keine Bäume, keine Parks, nichts! Das Weingebiet selbst ist nicht wirklich hübsch anzusehen, zu wüstenähnlich ist es. Immerhin sieht man im Hintergrund die Ausläufer der Andenberge.
Kaiken ist das erste Weingut, welches wir besuchen. Zuerst spazieren wir durch die Reben und erhalten Erklärungen zu den verschiedenen Weinsorten, deren Pflege und wie das Weingut Kaiken entstanden ist. Nach der ersten Weindegustation fahren wir mit den Mountainbikes weiter. Bei meinem Bike funktioniert die Vorderbremse bereits nach zweimaligem Bremsen nicht mehr, es geht ja aber auch alles nur geradeaus. Ca. 400m dürfen wir durch die Weinreben kurven, danach führt uns Andres auf der staubigen Hauptstrasse zu unserer zweiten Kellerei Vistalba. Im angenehm kühlen Keller halten wir die zweite Degustation ab. Allen voran überzeugt uns hier der Malbec-Wein.
Schon ziemlich angesäuselt kurven wir weiter zu unserem letzten Highlight, dem Asado auf dem Weingut Nieto Senetiner. Ein Dreigangmenu wartet draussen im Schatten auf uns (mit gegrilltem Fleisch, wie immer, ziemlich stark durchgebraten), begleitet selbstverständlich mit passenden Weinen. Moni verlangt sehr zur Freude aller anderen noch 2x Nachschub, da wir das Gefühl haben kurz vor dem Verdursten zu sein… Die Führung fällt danach komplett ins Wasser (niemand weiss genau wieso), wenigstens dürfen wir nach dem vielen Wein noch drei weitere Weine degustieren. Wir sind alle sehr gelöst und haben eine Riesengaudi untereinander, was auch die lustigen Fotos beweisen!
Am nächsten Tag machen wir einen ausgedehnten Spaziergang durch die grosse Parkanlage San Martin, wo wir an einem schattigen Plätzchen gemütlich unseren frischgemachten Salat verspeisen. Es verbringen viele Argentinier mit der ganzen Familie den Sonntag im Park, es wird relaxt, laute Musik gehört und natürlich… Fussball gespielt. Auf dem Rückweg bemerkt Moni, dass beim Auto der Kollegin unseres Hosts Valerie die eine Rückscheibe eingeschlagen wurde. Die Kollegin ist in den Bergen und wir wissen nicht, was da gestohlen wurde… und das ist direkt vor unserem Hostel passiert, heisses Pflaster Mendoza!! Wie wir im Nachhinein erfahren haben, wurden zum Glück nur eine Luftpumpe und die Fahrzeugpapiere gestohlen.
Eine neue Weintour führt uns ins Valle de Uco, dem relativ neuen, trendigen Weingebiet von Mendoza, es liegt ca. 1 ¼ Std. südlich von Mendoza. Mit dabei sind 4 Schweizer, 2 Deutsche und 2 Amis aus Colorado)… leider hat die Klimaanlage den Geist aufgegeben, so dass der Ami reklamiert, bis wir einen neuen Bus bekommen (draussen wird es heute um die 35 Grad heiss!). Unterwegs informiert uns Belen (nicht Helen) unsere hübsche Reisebegleiterin, über die Weinregion, welche wir besuchen. Während der Fahrt bereitet sie uns Matetee zu, das Nationalgetränk der Argentinier.
Einen Mate zu trinken, ist eine argentinische Tradition, ein Ritual. Ein Fremder wird damit willkommen geheißen und was dem Engländer sein Five-o´clock-tea, ist dem Argentinier sein Zu-jeder-Tages-und-Nachtzeit-Mate. Es bedeutet mehr, als einen Aufguss aus den unfermentierten Blättern des Matestrauches zu schlucken. Denn Mate trinkt man nicht allein, Mate teilt man. Na ja, wir Europäer können sehr wohl auf das bitterschmeckende Gebräu verzichten!
Unser erstes Weingut mit Degustation heisst Domanie Bousquet und ist bekannt für die «Organic Wines», die Biolinie der Weine. Leider ist die Meinung, Bio = mindere Qualität hier noch sehr verbreitet, deshalb liest man das Label nur ganz klein gedruckt auf der Rückseite der Flaschen. Stefan überzeugen die Weine nicht, sie schmecken ihm zu mineralisch…
Unterwegs windet es stark und wir geraten in einen kleinen Sandsturm, die Sicht für unseren Fahrer ist zum Teil lausig. Weiterfahrt bis Solo Contigo, einem kleinen, neu eröffneten Weingut. Die Villa ist gemütlich eingerichtet (gehört einem kanadischen Künstlerpaar) und die Degustation findet im Wohnzimmer statt, stilvoll begleitet durch leise Jazzmusik. Alle sind begeistert vom ersten Wein, den dieses Gut selber produziert hat, einem Malbec aus dem Jahre 2014, davon wurden nur 500 Flaschen abgefüllt! Die Villa beherbergt nebst einem topmodernen Weinkeller auch eine kleine Kunstsammlung.
Das dritte Weingut, O’ Fournier, gehört Spaniern. Das moderne Gebäude mit dem breiten Dach ist schon von weitem sichtbar. Hier geniessen wir ein fantastisches 6-Gang-Gourmet Menu, begleitet von diversen Weinen aus dem Weingut. Die Portionen sind zwar «Nouvel Cuisine», aber alles schmeckt sooo lecker!!!! Stefan vertilgt sogar die zur Vorspeise servierte Blutwurst!
Nach dem Kaffee werden wir mit Nachdruck hinauskomplimentiert. Wie wenn wir sonst noch die ganzen Weinvorräte weggetrunken hätten. Es folgt eine kurze Führung durch die Weinfabrikation und als Highlight besichtigen wir den grössten Weinkeller von ganz Südamerika, 10’000 Fässer sollen hier Platz finden. Im Moment ist sicher nur einen Bruchteil davon gelagert, das Kellergewölbe ist aber trotzdem beeindruckend.
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